Obwohl die Enteignung von Immobilien in Deutschland seit Jahrzehnten vorkommt, entwickelte es sich erst unlängst zum breiten Konfliktthema. Ein Grund dafür ist die angespannte Wohnungsmarktlage, sodass die Frage der Enteignung immer wieder in der politischen Diskussion auftaucht. Jedoch ist eine detaillierte gesetzliche Definition von Enteignung in Deutschland notwendig, die vom landläufigen Begriff der Enteignung abweicht. Das deutsche Grundgesetz (GG) unterscheidet zwischen einer Vergesellschaftung und einer Enteignung.
Enteignungen laut Gesetz
Die Vergesellschaftung gemäß Artikel 15 des Grundgesetzes betrifft Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel. Ein Gesetz kann diese zum Zwecke der Vergesellschaftung in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführen. Dazu sind auch Entschädigungen vorgesehen, welche dieses Gesetz ebenfalls regeln muss. Die Höhe dieser Entschädigung muss gerecht zwischen den Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten abgewogen sein. Eine Vergesellschaftung kann auch ganze Wirtschaftszweige betreffen. Dieser Artikel des deutschen Grundgesetzes kam jedoch in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie zur Anwendung. Die Vergesellschaftung ist daher weder durch richtungsweisende Gerichtsurteile definiert noch durch genauere Voraussetzungen oder Beschränkungen. Eine Verwaltung kann also nicht einfach selbst ohne ausdrückliche Gesetzesvorlage eine Vergesellschaftung durchführen.
Eine Enteignung von Immobilien ist in Deutschland im Prinzip immer dann möglich, wenn sie dem Allgemeinwohl dient. Das legt der Artikel 14 Absatz 3 im Grundgesetz fest, jedoch kann man vielfältig auslegen, was das Allgemeinwohl ist. Meist handelt es sich bei der Festlegung von Allgemeinwohl um Infrastrukturmaßnahmen wie Straßenbau oder Ausbau des Schienennetzes. Jedoch erfolgen Umsiedlungen ganzer Ortschaften auch wegen Braunkohletagebau. Genauere Regelungen und Vorgaben für die Enteignung in Deutschland finden sich daher im Infrastrukturgesetz und im Baugesetzbuch.
Voraussetzung für Enteignung
Eine Enteignung ist stets ein letztes Mittel. Sie kann laut Gesetz nur dann zum Einsatz kommen, wenn das Wohl der Allgemeinheit nicht auf anderem Wege erreicht werden kann. Denn anstelle einer Enteignung ließen sich beispielsweise Grundbesitzer auch dazu verpflichten, auf ihren Grundstücken Wohngebäude zu errichten. So ließe sich mehr Wohnraum schaffen, anstelle eine Enteignung einzuleiten. Ein derartiger Eingriff in das Grundrecht auf Eigentum zum Wohle der Allgemeinheit kann auch durch die Verwaltung auf Basis des bestehenden Gesetzes geschehen. Jedoch muss jegliche Enteignung verhältnismäßig sein. Weil derartige Enteignungen in Deutschland schon oft vorgekommen sind, gibt es eine deutliche Rechtsprechung zu deren Voraussetzungen und Schranken sowie zu Fragen der entsprechenden Entschädigung. Vor jeder tatsächlichen Enteignung muss ein Enteignungsverfahren erfolgen, wo die Betroffenen auch die Möglichkeit haben, sich juristisch gegen die Enteignung zu wehren.