Die Zinstheorie

Die Zinstheorie

Das Thema Zinsen hat Ökonomen einige Male dazu angeregt, über deren Entstehung, Verlauf, Entwicklung und Auswirkungen Theorien aufzustellen. Generell gesehen betrifft die Zinstheorie die Höhe des Zinses auf dem Kreditmarkt, verhandelt durch Sparer als Kreditanbieter und Kreditnachfrager (Investoren oder der Staat). Die Annahme dabei ist, dass allein das Verhältnis von Sparen und Investieren die Zinshöhe bestimmt und im Gleichgewicht hält und das. Mehr Sparen bedeutet also niedrige Zinsen und umgekehrt. Die Hypothese, dass allein die realwirtschaftlichen Gegebenheiten ohne Einfluss der Notenbanken die Zinshöhe bestimmen, gilt jedoch als widerlegt: Kreditinstitute weltweit orientieren sich am jeweiligen aktuellen Leitzinssatz.

Populäre Zinstheorien

In den letzten Jahrzehnten haben die Zinstheorien unterschiedlicher Wissenschaftler an Popularität gewonnen. Einige wurden mittlerweile widerlegt, andere bestätigt. Nicht alle Zinstheorien sehen Zinsen in positivem Licht. Ein Argument des Marxismus lautet, dass der Zins Teil des Mehrwerts ist, welchen die Kapitalisten wiederum durch Ausbeutung der Arbeiter gewinnen.

Klassische und neoklassische Zinstheorie

Die klassische und neoklassische Zinstheorie definiert Zinsen als Allokationsmechanismus, welcher Messungen erlaubt und Entscheidungshilfe bietet. Denn Kapital soll dorthin strömen, wo es am dringendsten benötigt wird. Das Endergebnis dieser Zinstheorie ist eine optimale Verteilung von Kapital.

Zinstheorien nach Lutz und Ohlin

1967 formulierte der Wirtschaftswissenschaftler Friedrich A. Lutz die Theorie, dass der Zins als Preis gilt und mit diesem die Preisfunktionen gemeinsam hat. Ihm zufolge haben Zinsen außerdem folgende Funktionen:

  • Entgelt für entliehene oder gemietete Sachgegenstände beziehungsweise für Geldkredite und Darlehen
  • Vergütung des Rückgabe- oder Rückzahlungsrisikos
  • Pauschalierung von Schadensersatz in Form von Verzugszins
  • Inflationsausgleich des Kreditbetrags
  • Opportunitätskosten für entgangene Gewinne und Konsumverzicht der Gläubiger

Der Schwede B. G. Ohlin (1899–1979) sah ebenfalls einen Zusammenhang zwischen Angebot und Nachfrage wie bei den Preisen und formulierte seine Loanable-funds-Theorie oder Theorie ausleihbarer Fonds. Demnach bestimmt sich der Zins nach Kreditangebot und Kreditnachfrage.

Zinstheorie nach Böhm-Bawerk

Der österreichische Ökonom Eugen von Böhm-Bawerk (1851–1914) war einer der Pioniere in Sachen Zinstheorie und definierte Zinsen nicht als Preis des Geldes, sondern Preis der Zeit und eine Belohnung. Seine Begründung: Da das Einkommen im Lauf des Lebens ansteigt, erwarten Gläubiger für heute verliehenes Geld in Zukunft mehr zurück. Investitionen bedeuten einen Produktivitätszuwachs, wofür Gläubiger einen angemessenen Anteil erwarten. Außerdem geben Menschen Geld lieber gleich aus, als es längerfristig zu investieren. Zinsen sind für den Geldverleih also zugleich Anreiz und Ausgleich.

Zinstheorien nach Gesell, Keynes, Senior und Heinsohn/Otto

Eine Reihe von Zinstheorien stellen mit ähnlichen Schlussfolgerungen die Begehrtheit von Bargeld und dessen Mehrwert in den Mittelpunkt, wie etwa die Urzinstheorie oder Geld-Mehrwerttheorie von S. Gesell, 1862–1930.

Daher müsse man die Kreditgeber kompensieren für den Verlust des immateriellen Sicherheitsertrag aus Eigentum, wie in der Eigentumstheorie des Zinses der Deutschen Gunnar Heinsohn und Otto Steiger.

Die Abstinenztheorie des Briten N. W. Senior (1790–1864) sieht Zins als Entschädigung für den Konsumverzicht des Kreditgebers.

Die Liquiditätspräferenztheorie von John Maynard Keynes sieht Zins als die Belohnung dafür, Geld in Umlauf zu bringen, anstelle es zu horten. Mit Geld kann man überall und jederzeit problemlos zahlen, was Keynes die Liquiditätsprämie des Geldes nennt. Daher gibt es eine Vorliebe für den Besitz von Geld, die sogenannte Liquiditätspräferenz. Ein Kreditgeber lässt sich diesen entgangenen Vorteil mit den Zinsen bezahlen.

Zinstheorie nach Mises

Der österreichische Nationalökonom Ludwig von Mises sieht Zinsen als subjektive Wertungen im Licht von Bedürfnissen. Diese setzen eine Menge heutiger Güter mit einer größeren Menge künftiger Güter wertmäßig gleich und der Mengenunterschied zwischen den Gütern ist der Zins.

Zinstheorie nach Sylla

1991 wies der Wirtschaftshistoriker Richard Sylla einen U-förmigen Verlauf der Zinskurven in der Antike nach, wo es zu Beginn einer Kultur hohe Zinsen gab und der Verfall einer Kultur durch niedriges Zinsniveau gekennzeichnet ist.